Auf Mittelaltermärkten und im Internet gibt es ein reichliches, schönes und auch teilweise gutes Angebot verschiedenster Gewandungen (einige nützliche Links haben wir euch unter „Links“ zusammengestellt). Wenn wir ehrlich sind, gehen auch wir über den Markt, schauen uns an, was es so gibt und kaufen das ein oder andere.
Mittelalterliche Kleidung „von der Stange“ wollen wir also auf keinen Fall verteufeln. Kaum einer von uns hat zu Beginn seine Garderobe selber gefertigt. Erst nach und nach wurden die einzelnen Kleidungsstücke gegen Selbstgenähtes ausgetauscht und noch heute erwerben wir das eine oder andere bei einem Händler. Aber mit dem reinen Kaufen der benötigten Kleidung stößt man, je nach Anspruch, schnell an seine Grenzen.
Denn Kleidung, die vom Schnitt her unserer Epoche entspricht und gleichzeitig – unserer Epoche gemäß – aus Leinen, Hanf, Nessel oder Wolle besteht, ist schwer zu finden und wird schnell teuer.
Inzwischen nähen wir daher unsere Kleider, Tuniken und Beinlinge größtenteils selber, wobei jeder in unserer Gruppe unterschiedliche Fertigkeiten mitbringt. So hat Ava recht früh nähen gelernt und ihre Kenntnisse an Alveradis, Mene und Eleonore weitergeben. Aber auch Offinia, Amalie und Yolanda sind nicht ungeschickt mit der Nadel und haben sich das ein oder andere Kleidungsstück bereits genäht. Da das Auftrennen einer missglückten Naht in gemütlicher Runde mit Tee und Kuchen deutlich weniger frustrierend ist, treffen wir uns inzwischen für Nähtreffen, die nicht nur lustig sind, sondern uns auch motivieren, unsere geplanten Projekte umzusetzen und unser Wissen auszutauschen.
Seit 2019 haben wir dank Luise unser erstes Mitglied, das im Brettchenweben bewandert ist und Bjorn beschäftigt sich seit 2017 mit Lederbearbeitung und hat schon die ein oder andere wunderschöne Gürteltasche für uns gezaubert – von seiner selbstgebauten Rüstung ganz zu schweigen. Seit 2015 beherrscht nahezu jedes weibliche Mitglied unserer Truppe das Nadelbinden und selbst Balduin wurde mit dem Nadelbindfieber angesteckt und übt fleißig. Abgesehen davon stricken wir viel.
Aber natürlich ist auch unsere selbstgenähte Kleidung nicht zu 100% „authentisch“.
Und auch sonst verbieten wir keinem Mitglied Make-up, gefärbte Haare, eine Brille oder bestehen auf authentischer Unterwäsche. Trotz möglichst authentischer Darstellung wollen wir uns wohlfühlen und an unserem Hobby Spaß haben.
Archäologische Funde aus unserer Zeit gibt es leider kaum. Dafür aber bildliche Darstellungen und Texte, die die Kleidung des Adels (man beachte: des Adels!) abbilden und uns als Orientierung dienen. Natürlich wissen wir heute nicht mehr, wie diese Darstellungen zu ihrer damaligen Zeit aufgefasst wurden und in wie weit sie wirklich die Realität wiederspiegeln. Unsere Kleidung ist eine Interpretation auf Basis der vorhandenen Quellen, Materialien und technischen Möglichkeiten, die es am Ende des 12. Jahrhunderts gab. Zudem müssen wir berücksichtigen, dass auch wir durch unsere heutige Mode oder Darstellungen von „mittelalterlicher“ Kleidung in Film und Fernsehen geprägt sind. Es kann also sein, dass etwas das noch so authentisch und gut belegt ist, uns einfach nicht gefällt und daher auch nicht getragen wird.
Für den einfachen Heerlageralltag tragen unsere Recken eine Tunika aus Wolle oder Leinen, die etwa bis zur Mitte des Oberschenkels oder bis zu den Knien geht. Die Tunika kann langärmelig oder kurzärmelig ausfallen, wobei man im Falle der kurzärmeligen Variante das langärmelige Untergewand sieht. Wobei an zu warmen Tagen im Sommer auf das Untergewand auch gerne verzichtet werden kann. Verziert wird die Tunika mit einer brettchengewebten Borte. Strenggenommen gab es im 12. Jahrhundert noch keine Hosen, sondern nur Beinlinge (lange „Strümpfe“, die am Oberschenkel festgeschnürt wurden). Ehrlichgesagt trägt nicht einer unserer Recken solche Beinlinge, sondern Hosen, da diese einfach bequemer sind. Aber wer schaut ihnen auch unter den (Waffen)Rock? Mit einem Gürtel, an dem mindestens eine Gürteltasche und mal mehr oder weniger Waffen hängen, wird das Ganze an Ort und Stelle gehalten. Für den Kampf rüsten sich unsere Recken mit einem Gambeson, der über einer Tunika oder einem Leinenhemd getragen wird, über den sie dann ein Kettenhemd oder eine Rüstung ziehen. Handschuhe und ein Helm runden das Ganze ab; mehr dazu aber unter "Rüstungen und Kettenzeug".
Für unseren Benediktinermönch fällt die Beschreibung eher kurz aus: seine Kleiderwahl begrenzt sich auf eine schwarze Mönchskutte.
Unsere Damen tragen ein knöchellanges Unterkleid (Cotte)aus Leinen und darüber ein Überkleid (Surkôt), ebenfalls aus Leinen oder aus Wolle. Wobei an einem heißen Sommertag auch hier gerne auf das Unterkleid verzichtet werden kann. Das Unterkleid kann je nach Länge des Überkleids an den Ärmeln, am Halsausschnitt oder Saum sichtbar sein. Mithilfe einer Schnürung am Überkleid oder einfach nur eines Gürtels wird das Kleid an der Taille in Form gebracht. Auch bei den Damen ist das Überkleid in der Regel mit einer Borte oder Stickereien verziert. Zum Kochen kann der Rock mithilfe einer Schürze vor Verschmutzungen geschützt werden.
Zum Schutz vor Kälte oder Regen tragen sowohl unsere Recken als auch unsere Damen Gugeln oder Umhänge – oder, wenn es besonders kalt und nass ist, beides. Ein erklärtes Lieblingskleidungsstück der Damen, falls es einmal etwas kühler ist, ist jedoch ein Umschlagtuch aus Wolle.
Was wir bisher beinahe ausnahmslos kaufen, sind Schuhe: keiner von uns versteht sich auf das Schustern. Mittlerweile überwiegt bei unseren Käufen auch der Komfort: wer schon einmal fünf Tage lang bei Wind und Wetter in sehr dünn besohlte „Billig“-Mittelalter-Lederschuhen auf einem Markt auf Steinen, Schotter, Wiese und Schlamm gelaufen ist, weiß, wie die Füße dann schmerzen können.
Belegt ist, dass man immer Kopfbedeckungen getragen hat – bis ins 20. Jahrhundert hinein ging niemand „oben ohne“. Ehrlicherweise haben wir uns damit aber nicht so ausführlich befasst, wie wir sollten. Zwei unserer Damen tragen das übliche Gebende, ansonsten greifen wir bisweilen (und je nach aktuellem Zustand der Haare) auf Kopftücher, Strohhüte und bisweilen auf Hauben (falls die entsprechende Dame denn unter der Haube ist) zurück. Die Recken sind auch recht wenig behutet, allenfalls tragen sie Barretts. Unsere Abneigung gegen Kopfbedeckungen hat mehrere Gründe: zum einen lagern wir zumeist im Sommer und es ist ohnehin schon sehr warm. Zum anderen sind wir eine dauerhafte Kopfbedeckung heutzutage wirklich nicht mehr gewohnt, vor allem kein (doch sehr einschränkendes) festes Gebende. Außerdem flechten wir dazu viel zu gerne schöne Frisuren und die sollen natürlich auch gesehen werden ;)
Der Standesunterschied in unserem Lager wird hauptsächlich anhand der Verzierungen des Überkleids/der Tunika sichtbar. Eine Kleiderordnung, die einem Stand eine gewisse Kleidung oder das Tragen bestimmter Farben verbot, ist für unsere Zeit nicht belegt. Die niederen Stände können sich daher durchaus an der Mode des Adels orientiert haben, wobei sie sicherlich, je nach finanziellen Mitteln, andere Möglichkeiten bei der Materialauswahl und -menge hatten. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass das Gesinde bisweilen abgetragene Kleidungsstücke der hohen Herrschaften geschenkt bekam.
Auch muss gesagt sein, dass in unserer Gruppe die Grenzen zwischen der Kleidung der Wikinger und Christen verschwimmen. Aufgrund der Handelsbeziehungen laut unserer Chronik ist es nicht abwegig, dass das ein oder andere Wikingerschmuckstück von einer Dame am Hofe Eberhards getragen wird. Hinzu kommt, dass wir es für wahrscheinlich halten, dass Schnitte und Moden aus „vergangenen“ Zeiten überdauerten (nicht jeder war schließlich immer und überall auf dem neusten Stand) und durch den allgemeinen Kulturaustausch mit anderen Völkern es keine „reinen“ Moden gab.
Eine genaue Beschreibung der Mode des 12. Jahrhunderts, wie sie in Kunst und Literatur dargestellt wurde, führt an dieser Stelle zu weit. Hier soll nur gesagt sein, dass das Tragen eines Unterkleids oder -hemds aus Leinen über das ein prächtigeres Überkleid getragen wird, gut belegt ist – für Männer wie für Frauen. Die unteren Kleidungsschichten sollten die teureren Übergewänder vor Schmutz schützen und konnten einfacher gewaschen oder ausgewechselt werden, da sie nicht ganz so prunkvoll waren. Die Kleider unserer Damen orientieren sich in ihrem Schnitt an den Beschreibungen in der Literatur. Borten und Gürtel als Schmuck sind ebenso belegt wie die Form der Umhänge und Gugeln.
Für diejenigen, die sich detaillierter mit der Mode des 12. Jahrhunderts und des Mittelalters im allgemeinen auseinandersetzen wollen, haben wir eine kleine Auswahl nützlicher Literatur unter „Links und Tipps“ auf dieser Homepage zusammengestellt.